Nutzniessung: So bleibt Ihr Haus in Familienbesitz – und Sie im Haus

Das eigene Haus in fremden Händen - für viele die Horrorvorstellung schlechthin. Mit der Nutzniessung sichern Sie sich dagegen ab, und schlagen dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

25.10.20227min7min

Mutter und Sohn im Haus freuen sich über die Nutzniessung

Häufig ist das eigene Haus mehr als nur ein Gebäude – es ist Teil der Familienidentität. Über die Jahre hat man dort viel erlebt und einiges an Geld und Liebe investiert. Kein Wunder also, wünscht man sich, dass es im Familienbesitz bleibt, wenn man selbst mal nicht mehr auf der Erde wandelt. Das Nutzniessungsrecht bietet hier eine echte Möglichkeit: Sie bleiben in Ihrem geliebten Haus wohnen, übertragen es aber schon vorzeitig an Ihre Nachkommen. Damit sichern Sie sich auch für den Fall ab, dass ein Ehepartner vorzeitig stirbt und das Haus deswegen bereits zu Ihren Lebzeiten an die Erbengemeinschaft geht.

Falls Sie jetzt nur noch Bahnhof verstehen, keine Sorge: Wie das genau geht, welche Vorteile das bringt und wie sich die Nutzniessung vom Wohnrecht unterscheidet, erfahren Sie hier.

Was ist Nutzniessung?

Doch mal ganz von vorne: Was ist eigentlich Nutzniessung? Beim Beispiel einer Liegenschaft ermöglicht sie der begünstigten Person, eine fremde Immobilie zu benutzen. Wenn Sie Ihre Immobilie an Ihre Nachkommen übertragen (mehr dazu weiter unten im Artikel), wären Sie also die nutzniessende Person, Ihre Nachkommen Eigentümer:innen. Die nutzniessende Person darf dabei selbst entscheiden, wie sie die Immobilie verwenden möchte: Sie kann selbst darin wohnen oder sie an jemanden vermieten. Den Eigentümern und Eigentümerinnen, Ihren Kindern, bleibt – salopp gesagt – nur das «nackte Eigentum», also der Name auf dem Papier. Zur Errichtung eines Nutzniessungsrechts sind eine öffentliche Beurkundung und ein Eintrag im Grundbuch notwendig.

So kann die Nutzniessung geregelt werden:

  • per notariell beurkundeten Vertrag

  • per Testament oder Erbvertrag

  • per schriftlichen Erbteilungsvertrag

Die Eintragung im Grundbuch ist dabei meistens Pflicht. Wenn Sie geübte Paragrafenreiter sind, schlagen Sie am besten das Zivilgesetzbuch (ZGB) auf: Die Nutzniessung ist dort genau geregelt.

Übrigens: Ein Nutzniessungsrecht kann theoretisch für alle möglichen Objekte errichtet werden, kommt in der Praxis aber meist bei Wohnungen, Häusern und Grundstücken zur Anwendung. Wenn Sie unbedingt möchten, könnten Sie also sogar auf Ihren Staubsauger ein Nutzniessungsrecht errichten lassen.

Nutzniessung: Rechte und Pflichten

Die gute Nachricht zuerst: Wenn Sie Nutzniesser:in einer Liegenschaft oder eines Grundstücks sind, dürfen Sie nicht nur selbst darin wohnen, sondern auch allfällige Mieteinnahmen oder landwirtschaftliche Erträge einsacken. Doch natürlich gibt es auch eine Kehrseite: Sie müssen nämlich für die Heiz- und Nebenkosten sowie Unterhaltsarbeiten aufkommen. Des Weiteren übernehmen Sie als Nutzniesser:in die allfälligen Hypothekarzinsen und alle notwendigen Versicherungen. Auch gewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen (z. B. an Böden, Fenstern, Zäunen oder Wegen) gehen auf Ihre Kosten. Je nach Vertrag müssen Sie zudem grössere Ausbesserungen übernehmen. Da heisst es also: gut mit den Liebsten verhandeln!

Der oder die Eigentümer:in besitzt hingegen das Recht, die Immobilie zu verkaufen. Aber keine Sorge: Das Nutzniessungsrecht erlischt dadurch nicht. Sie müssen also keine Angst haben, auf die Strasse gesetzt zu werden. Übrigens ist das Nutzniessungsrecht auch ein persönliches Recht. Das heisst, es kann nicht vererbt oder verschenkt werden. Ausserdem darf die nutzniessende Person die Immobilie nicht wesentlich verändern. Wenn Sie Ihr Haus an die Kinder übertragen, bauen Sie den langersehnten Saunabereich also besser vorher noch an …

Wohnrecht vs. Nutzniessung – was sind die Unterschiede?

Halt, mal: Ist damit die Nutzniessung dasselbe wie das Wohnrecht? Nein! Nutzniessung und Wohnrecht sind zwei verschiedene paar Schuhe, ähneln sich aber stark. Beim Wohnrecht handelt es sich ganz einfach um das Recht, eine Immobilie zu bewohnen (Wer hätte es gedacht?). Die Betonung liegt hierbei auf dem «Wohn-», denn: Wohnberechtigte dürfen die Immobilie im Gegensatz zu Nutzniesser:innen nicht an Drittpersonen vermieten oder anderweitig bewirtschaften. Je nach genauer Vereinbarung kann der oder die Eigentümer:in auch ein Entgelt von der wohnberechtigten Person verlangen. Und wie ein:e Mieter:in kommt man als Berechtigte:r in diesem Fall auch für Unterhalt, Strom- und Heizkosten auf (aber eben nicht für grössere Reparaturen oder Erneuerungen). Genau wie bei der Nutzniessung ist es nicht erlaubt, die Immobilie signifikant umzugestalten. Logisch, oder? Und auch der Papierkram und der administrative Aufwand sind gleich: Ein Wohnrecht muss öffentlich beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden.

Und wie ist das mit den Steuern?

Der oder die Nutzniesser:in versteuert den amtlichen Wert und das Einkommen (z. B. Mieterträge) aus der Immobilie. Dabei sind Abzüge für Hypothekarzinsen und Unterhalt möglich. Wohnberechtigte versteuern dagegen nur den Eigenmietwert. Abzüge für Unterhalt sind möglich, Abzüge für ausserordentliche Aufwendungen können jedoch nur die Eigentümer:innen machen. Falls Nutzniesser:innen selbst in der Immobilie wohnen, versteuern sie ebenfalls den Eigenmietwert. Weitere Antworten auf Steuerfragen finden Sie in unseren FAQ zu Finanzierung und Steuern. Ob sich allgemein das Wohnrecht oder die Nutzniessung mehr für Sie lohnt, hängt von Ihrer persönlichen Situation ab. Die wichtigste Frage ist hierbei: Wollen Sie in der Immobilie «einfach nur wohnen» können oder wollen Sie damit auch Einnahmen generieren (z. B. durch Vermietung oder Bewirtschaftung)? Ist Ersteres der Fall, reicht das Wohnrecht, Letzteres erfordert ein Nutzniessungsrecht. Wir empfehlen dazu die Beratung bei einer spezialisierten Anwaltskanzlei.

Erbvorbezug und Nutzniessung: eine starke Kombi

Gerade wenn es um das Eigenheim geht, ist ein Erbvorbezug kombiniert mit dem Nutzniessungsrecht eine gute Lösung. Denn so müssen Sie sich im Fall der Fälle nicht mit komplizierten Nachlassregelungen rumschlagen. Und Eltern sowie Kinder profitieren. Denn: Wenn eine Person stirbt, löst das automatisch den Erbfall aus. Sind Kinder im Spiel, entsteht eine Erbengemeinschaft aus den Kindern und dem überlebenden Elternteil. Der gesamte Nachlass geht an die Erbengemeinschaft. Je nach Konstellation müssten die Kinder dem überlebenden Elternteil nun erst noch ein Nutzniessungsrecht einräumen, damit dieser weiter im Haus leben und z. B. auch die Einliegerwohnung wie bisher vermieten kann.

Um sich diesen zusätzlichen administrativen Aufwand zu sparen, lohnt es sich häufig, das Haus schon vorher an die Kinder zu übertragen und sich ein Nutzniessungs- oder Wohnrecht einräumen zu lassen. Gerade in schwierigen Zeiten, in denen neben der Trauer noch viele andere Dinge bewältigt werden müssen, ist man froh über die eigene, vorangegangene Cleverness. Dabei hat die Nutzniessung wie bereits erwähnt den Vorteil, dass Sie z. B. durch Vermietung oder landwirtschaftliche Nutzung Ihr Einkommen resp. Ihre Rente aufbessern können.

Man hört häufig, dass ein Erbvorzug das Eigenheim vor Pfändung schützt, z.B. wenn die Altersrente nicht für die Pflege- oder Altersheimkosten ausreicht und Ergänzungsleistungen bezogen werden müssen. Dies ist allerdings nicht richtig, denn: Durch den Erbvorzug verzichten Sie auf Vermögen und das wird bei der Festlegung der Ergänzungsleistungen berücksichtigt. Diese werden so eventuell verweigert oder gekürzt. Je nachdem müssen dann Ihre Nachkommen (und damit die Eigentümer:innen des Hauses) für Ihre Pflegekosten aufkommen.

Doch auch Ihre Nachkommen haben durch den Erbvorzug einen Vorteil. Sie werden nicht nur bereits früher Hausbesitzer, sondern können auch Steuern sparen.Mittlerweile ist man in der kleinen Schweiz so weit, dass die meisten Kantone bei direkten Nachkommen keine Erbschafts- und Schenkungssteuer erheben. Aber: Ihre Kinder müssen für die Immobilie wie für jeden anderen Vermögenswert auch Steuern zahlen. Doch dadurch, dass Sie als Nutzniesser:in die Immobilie weiterhin «blockieren» (was natürlich Ihr gutes Recht ist, das wär ja noch schöner …), verringert sich der Wert dieses Vermögenswerts für Ihre Kinder. Und so sparen diese bei den Staats- und Gemeindesteuern im Vergleich zu einer Versteuerung durch die Eltern. Apropos Vermögenswert: Wie viel ist Ihre Immobilie eigentlich wert? Ob für die Steuern, die Vermietung oder einen allfälligen Erbvorzug – es kann nicht schaden, den Wert der Immobilie (mal wieder) schätzen zu lassen. Hier erfahren Sie, was es bei der Schätzung zu beachten gilt

Wann erlischt das Nutzniessungsrecht?

Keine Angst: Ein Nutzniessungsrecht fesselt Sie nicht für immer und ewig an die Immobilie. Sie können getrost einige Jahre in Südfrankreich verbringen und dann in Ihr geliebtes Haus in der Schweiz zurückkehren, denn: Das Nutzniessungsrecht erlischt bei Auszug der Nutzniesser:innen nicht. Stattdessen bleibt dieses bis zum Ableben der Nutzniesser:innen erhalten oder erlischt spätestens nach 100 Jahren. Alternativ kann das Nutzniessungsrecht auch durch eine Verzichtserklärung aufgehoben werden. So kann man die Nutzniessung löschen und aus dem Grundbuch entfernen lassen.

Entscheidungshilfe gefällig?

Eine Übersicht wäre jetzt ganz hilfreich, oder? Deshalb hier nochmals in Kürze die wichtigsten Details in einer Tabelle.

Zusammenfassende Tabelle

Egal, wofür Sie sich letztlich entscheiden – das gute Gefühl ist dasselbe: Sie wissen Ihr Eigenheim schon jetzt in den sicheren Händen Ihrer Nachkommen und haben gleichzeitig das Recht, solange darin wohnen zu bleiben, wie Sie wollen. Eine klassische Win-Win-Situation.

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