Das Vorkaufsrecht kurz erklärt: Was muss ich als Verkäufer:in beachten?

Mit dem Vorkaufsrecht haben berechtigte Personen den Vortritt. Was das für Sie bedeutet, wenn Sie Ihre Immobilie verkaufen wollen, erfahren Sie hier.

14.10.20227min7min

Portrait von glücklichem Paar halten Schlüssel von der Wohnung, die sie durch das Vorkaufsrecht erhalten haben

Beim Immobilienverkauf möchten Sie Ihr Haus möglichst einfach und rasch zu Geld machen. Die Devise lautet: Zu einem angemessenen Preis in die richtigen Hände. Die Realität ist leider aber häufig eine andere. Als Verkäufer:in schwappt nicht nur eine Welle an administrativem Aufwand über Sie, es gibt auch zahlreiche juristische Finessen zu beachten. Eine davon ist das Vorkaufsrecht. Aber was ist das überhaupt und welche praktische Bedeutung hat das für den Hausverkauf?

Das Wichtigste zuerst: Was ist eigentlich das Vorkaufsrecht?

Das Vorkaufsrecht ist das Recht, ein bestimmtes Objekt erwerben zu dürfen, falls dieses eines Tages verkauft wird. Vorkaufsberechtigte Personen haben damit Vortritt vor allen anderen Kaufinteressenten - völlig egal, wie lang die Schlange ist. Einfach so? Naja, unkompliziert kennt unser Rechtssystem nicht. Damit ein Vorkaufsrecht rechtskräftig wird, müssen drei grundlegende Kriterien erfüllt sein.

Nur dann gilt das Vorkaufsrecht: drei Kriterien

  1. Das Objekt soll tatsächlich verkauft werden. Das Vorkaufsrecht gilt nur für den sogenannten Vorkaufsfall, also den Verkauf eines Eigentums mit einem existierenden Vorkaufsrecht. Wenn Sie die Immobilie an Ihre Schwiegermutter verschenken, so ist dies vielleicht ganz nett, aber definitiv kein Vorkaufsfall. Das Vorkaufsrecht greift hier nicht

  2. Das Vorkaufsrecht wurde bereits im Vorfeld errichtet. Das Vorkaufsrecht muss bereits rechtsgültig sein, bevor Sie Kaufverträge verfassen. Mitten im Verkaufs- und Verhandlungsprozess mit anderen Käufer:innen ist der Zug bereits abgefahren.

  3. Die Person mit dem Vorkaufsrecht nimmt das Recht ausdrücklich in Anspruch. Nur wenn die vorkaufsberechtigte Person den Kaufvertrag innerhalb einer bestimmten Frist unterzeichnet, hat sie Anspruch auf den Kauf. Ansonsten verfällt das Recht.

Welche Arten von Vorkaufsrecht gibt es?

Die Grundlagen haben wir geklärt, kommen wir nun zu den Spitzfindigkeiten: Es gibt mehrere Arten von Vorkaufsrechten mit unterschiedlichen Bedingungen.

Das vertragliche Vorkaufsrecht

Das vertragliche Vorkaufsrecht ist das klassische Vorkaufsrecht, das auf einem Vertrag basiert (wer hätte das gedacht). Beispielsweise können Sie via Vertrag Ihren Lieblingsmieter:innen ein Vorkaufsrecht garantieren, wenn diese Ihr Häuschen treu hegen und pflegen. Vertragliche Vorkaufsrechte verlangen immer viel Papierkram: Sie müssen von einem oder einer Notar:in öffentlich beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden. Sie sind dafür aber sogar standfester als Ihr:e Eigentümer:innen - wenn nicht anders vereinbart, werden vertragliche Vorkaufsrechte nach dem Tod der Eigentümer:innen weiter vererbt. Um die ganze Sache noch komplizierter zu gestalten, wurden im ZGB zwei Arten von vertraglichem Vorkaufsrecht definiert: Das limitierte Vorkaufsrecht und das unlimitierte Vorkaufsrecht.

Beim limitierten Vorkaufsrecht werden alle Konditionen rund um den Verkauf, insbesondere der Kaufpreis, bereits im Vorfeld detailliert vereinbart. Das bringt ein gewisses Risiko mit sich: Steigt der Marktwert Ihrer Immobilie in den Jahren zwischen dem Abschluss des Vorkaufsrechts und dem Verkauf stark an, so verkaufen Sie Ihr Haus ggf. unter Wert. Deswegen kommt das limitierte Vorkaufsrecht meist nur zum Einsatz, wenn man die eigene Immobilie zum Vorzugspreis an Verwandte verkaufen will.

Beim unlimitierten Vorkaufsrecht hingegen werden Preis und andere Verkaufskonditionen nicht vorab festgelegt. Stattdessen werden diese Dinge vom besten aktuellen Angebot bestimmt. Das bedeutet konkret für Sie: Erstens mehr Aufwand, weil Sie Angebote Dritter einholen müssen. Zweitens aber auch tendenziell mehr Ertrag, da Sie einen besseren Verkaufspreis erzielen können. Da nimmt man doch gerne ein bisschen mehr Arbeit auf sich!

Um alles aus Ihrem Immobilienverkauf herauszuholen, halten Sie Ihre Immobilie gut in Schuss. Nehmen Sie regelmässig werterhaltende und -steigernde Sanierungen vor und lassen Sie sich beim Verkauf am besten von Profis beraten. Lesen Sie mehr dazu, wie man mit einem Makler einen guten Preis erzielt.

Das gesetzliche Vorkaufsrecht

Unter bestimmten Umständen haben Dritte ein Vorkaufsrecht, ohne dass es dafür zuvor einen Vertrag braucht. Zum Glück gibt es nur drei Situationen, in welchen das vorkommen kann:

  1. Miteigentumsverhältnis: Für den Fall, dass die Immobilie Ihnen nicht alleine gehört, sondern noch andere Miteigentümer existieren. Der Klassische Fall: Sie besitzen mit Ihrem Ehepartner oder Ihrer Ehepartnerin ein Traumhäuschen. Im Falle einer Scheidung hätte Ihr:e (ehemalige:r) Ehepartner:in automatisch das Vorkaufsrecht an Ihrem Anteil des Hauses.

  2. Baurechtsverhältnis: Für den Fall, dass jemand das Baurecht auf einem Ihrer Grundstücke besitzt. Zum Beispiel, wenn Ihr Sohn sein Haus direkt neben das Ihre gesetzt und damit auf Ihrem Grundstück gebaut hat. Falls Sie eines Tages beschliessen, Ihr Grundstück zu verkaufen, so hat Ihr Sohn das Vorkaufsrecht.

  3. Bodenrechte: Für den Fall, dass Sie landwirtschaftliche Grundstücke besitzen. Wenn Sie beispielsweise einen Acker verkaufen möchten, der von einer Bauernfamilie gepachtet und bewirtschaftet wird, so hat diese Bauernfamilie automatisch das Vorkaufsrecht.

Bevor Sie also Ihren Immobilienverkauf planen, achten Sie sich genau auf die Rechtssituation und eventuelle Ansprüche Dritter. Am besten holen Sie sich eine:n gute:n Notar:in ins Boot und werfen einen Blick ins Grundbuch.

Was sind die Pflichten und der Ablauf bei einem bestehendem Vorkaufsrecht?

Genug der Definitionen! Machen wir uns an den konkreten Ablauf des Verkaufs. Die wichtigste Verantwortung für Sie als Verkäufer:in ist die Mitteilungspflicht. Sie müssen die vorkaufsberechtigte Person über den Verkauf Ihrer Immobilie informieren. Bei einem unlimitierten Vorkaufsrecht muss zusätzlich dazu noch der Verkaufspreis fair ermittelt werden. Dazu wird wie folgt vorgegangen:

  1. Zuerst bieten Sie Ihre Immobilie auf dem Markt an. Das existierende Vorkaufsrecht dürfen Sie dabei aber nicht unter den Teppich kehren, sondern müssen es offen an mögliche Interessenten kommunizieren.

  2. Mit der meistbietenden Partei wird ein Kaufvertrag ausgehandelt. So weit, so gut.

  3. Nun folgt der wichtigste Schritt: Die Mitteilung an die Vorkaufsberechtigten.

  4. Jetzt hat die vorkaufsberechtigte Partei ihre „Time to Shine“: Interessiert sie sich für die Immobilie, darf sie zuschlagen und Ihre Immobilie kaufen. Dazu tritt sie anstelle der meistbietenden Partei in den Kaufvertrag ein. Alle von der meistbietenden Partei verhandelten Konditionen des Vertrages werden dabei übernommen. Dies muss innerhalb von drei Monaten geschehen, sonst verfällt das Vorkaufsrecht.

Dauer, Einschränkung und Aufhebung des Vorkaufsrecht

Sie möchten Ihre Immobilie verkaufen, aber das vor langer Zeit errichtete Vorkaufsrecht umgehen? Tatsächlich kann man das Vorkaufsrecht in bestimmten Fällen durch Abwarten umgehen.

Das vertragliche Vorkaufsrecht erlöscht automatisch nach 25 Jahren. Falls Sie Ihre Immobilie trotzdem schon vorher an jemanden anderen verkaufen möchten, so haben Sie Pech gehabt: Das vertragliche Vorkaufsrecht kann nur durch eine einvernehmliche Vereinbarung beider Parteien vorzeitig beendet werden. Wenn Sie clever waren, so haben Sie das Vorkaufsrecht bereits bei dessen Errichtung vertraglich begrenzt, z. B. durch eine kürzere Laufzeit oder durch anderen Bedingungen. Gesetzliche Vorkaufsrechte hingegen haben keine Mindestlaufzeit und werden nicht automatisch gelöscht. Dies geschieht durch eine öffentlich beurkundete Vereinbarung aller involvierter Parteien. Vertragliche Vorkaufsrechte können vererbt werden, gesetzliche hingegen nicht. Letztere verfallen somit mit dem Tod der vorkaufsberechtigten Person.

Überblick verloren?

Ihnen schwirrt der Kopf? Deshalb hier die wichtigsten Fakten auf einen Blick:

Zusammenfassende Tabelle mit Informationen über das Vorkaufsrecht

In Zusammenarbeit mit der Protekta erstellt.