Schenkung mit Wohnrecht: Eine Notarin erklärt alles Wichtige

«S Füüfi und ds Weggli»: Bei der Schenkung oder dem Hausverkauf mit Wohnrecht bleiben Sie im Haus wohnen, auch wenn Ihnen dieses nicht mehr gehört. Wie das funktioniert, das erfahren Sie in unserem Interview mit Notarin und Rechtsanwältin Christine Boldi-Goetschy.

30.11.20227min7min

Mutter hält ihre Tochter und ihre Enkelin in den Armen

Als Immobilienbesitzer:in fängt man früher oder später an, sich Gedanken über die Zukunft des Eigenheims zu machen. Häufig wird dieses im Alter zur Last: Die Instandhaltung oder auch die Zahlung des Hypothekarzinses sind nur Beispiele für die grosse Verantwortung, die ein Eigenheim langfristig mit sich bringt. Eine mögliche Lösung bietet hier das Wohnrecht. Was das genau bedeutet und auf welche Details man hier achten muss, das erklärt uns Rechtsanwältin und Notarin Christine Boldi-Goetschy. Sie ist eine führende Expertin und Referentin beim Schweizerischen Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT) und doziert an der ZHAW. Nebst dem Immobilienrecht gehört das Gesundheitsrecht zu Ihren Spezialgebieten. Mehr zu Christine Boldi-Goetschy bei Swisslegal.

Frau Boldi-Goetschy, wann kommt die Schenkung mit Wohnrecht zu tragen? Und was hat dieses Verfahren mit einem Verkauf gemeinsam?

Christine Boldi-Goetschy: «Grundsätzlich geht es bei der Schenkung sowie beim Hausverkauf um die Übertragung einer Liegenschaft. Ein Hausverkauf mit Wohnrecht bedeutet, dass man seine Immobilie verkauft, aber trotzdem noch weiter darin wohnen bleiben darf. Man tritt damit die Eigentumsrechte ab.

Bei der Schenkung mit Wohnrecht ist es dasselbe Prinzip, mit einem Unterschied: Die beschenkten Personen zahlen nichts für den Erhalt der Immobilie. Meistens findet eine Schenkung mit Wohnrecht innerhalb der Familie statt. Beispielsweise, wenn die Eltern vorzeitig das Haus an die eigenen Kinder übertragen, aber trotzdem noch bis zum Tod darin wohnen bleiben möchten. Das kann auch als gemischte Schenkung geschehen, bei dem die Kinder einen Kaufpreis unter dem eigentlichen Marktwert zahlen.»

Wie unterscheidet sich das Wohnrecht vom Nutzniessungsrecht?

«Auch die Nutzniessung erlaubt es den berechtigten Personen unentgeltlich in der Immobilie wohnen zu bleiben. Zusätzlich dürften sie diese aber auch vermieten und daraus Erträge erwirtschaften. Die Nutzniessung hat deswegen weniger Einfluss auf andere finanzielle Aspekte: Beispielsweise wird der Hypothekarzins bei der Nutzniessung weiter von den Eltern getragen, während das beim Wohnrecht unter die Verantwortung der Kinder fällt.»

Wie unterscheidet sich das Wohnrecht vom Mietverhältnis?

«Die Antwort auf diese Frage kann man kurz zusammenfassen: Beim Mietverhältnis muss man einen definierten Mietzins zahlen, während beim Wohnrecht grundsätzlich kein Mietzins geschuldet ist. Natürlich könnte man letzteres auch anders vereinbaren.

Sonst haben die beiden Konzepte aber tatsächlich viel gemeinsam. Beispielsweise kann man das Mietverhältnis auch im Grundbuch anmerken lassen. Wie das Wohnrecht wird das Mietverhältnis, falls es denn im Grundbuch vorgemerkt ist, so auch bei einer Übertragung der Immobilie erhalten bleiben.»

Welche Vorteile hat die Schenkung mit Wohnrecht für die Eltern, bzw. Wohnberechtigten?

«Für viele Eltern ist es eine grosse Erleichterung, das Haus vorzeitig an die Kinder übertragen zu können. Man ist damit eine enorme Last los: Das Haus in Schuss zu halten, die Zahlung des Hypothekarzinses, die Verantwortung… Das sind nun alles Aufgaben der neuen Eigentümer:innen. Das Einzige, was noch in der Verantwortung von wohnberechtigten Personen bleibt, sind die Zahlungen der Nebenkosten für Heizung, Strom und Wasser sowie kleine Reparaturen, die zum gewöhnlichen Unterhalt gehören.

So geben die Eltern die Verantwortung ab, können aber trotzdem in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und bis zu ihrem Tod in dem Haus wohnen, in dem sie wahrscheinlich schon viele Jahre gelebt haben.»

Welche Vorteile hat die Schenkung mit Wohnrecht für die Kinder, bzw. Eigentümer:innen?

«Sie haben sich das Haus schonmal gesichert, egal was kommt. Man weiss schliesslich nie, welche verrückten Wendungen das Leben nehmen kann. Ausserdem ist es, gerade wenn man Geschwister hat, vielleicht zunächst unklar, wer das Haus der Eltern bekommen und übernehmen soll.

Ein weiterer Vorteil sind die stark steigenden Preise auf dem Immobilienmarkt. Ein vor 15 Jahren für 800’000 CHF gekauftes Haus ist heute vielleicht schon über eine Million CHF wert. Je früher man ein Haus erhält, desto stärker profitiert man von dessen Wertsteigerung.»

Wird das Wohnrecht immer auf Lebenszeit eingeräumt?

«Ich erlebe in der Praxis keine befristeten Wohnrechte, da sie meistens nur wenig Sinn machen. In Fällen, in denen man jemandem sein Eigentum befristet zum Wohnen zur Verfügung stellen möchte, ist ein Mietvertrag die bessere Lösung.»

Wie wird das Wohnrecht begründet?

«Das Wohnrecht ist via Notariat öffentlich beurkunden und im Grundbuch eintragen zu lassen. Nur so können die wohnberechtigten Personen ihr Recht auch gegenüber Drittpersonen durchsetzen. Dies ist vor allem für den Fall des Verkaufs wichtig. Einfach gesagt: Die Eintragung im Grundbuch gibt den Eltern die Sicherheit, dass das Wohnrecht bestehen bleibt, auch wenn ihre Kinder das Haus an Drittpersonen weiterverkaufen.»

Welchen Einfluss hat die Schenkung mit Wohnrecht auf die Steuern?

«Das ist eine sehr komplexe Frage und von Kanton zu Kanton verschieden. Am besten klärt man das im jeweiligen kantonalen Umfeld, in dem das Wohnrecht geplant wird. Ganz grundsätzlich kann man aber sagen: Als Eigentümer:innen müssen die Kinder das Haus in ihrer Steuerrechnung als Vermögen deklarieren. Dabei spielt das Alter der Eltern als wohnberechtigte Personen eine erhebliche Rolle: Je jünger sie sind, desto länger werden sie voraussichtlich noch im Haus bleiben. Je länger die Eltern wiederum noch im Haus bleiben, desto niedriger ist der Wert des Hauses, der von den Eigentümer:innen versteuert werden muss. Zur Ermittlung des genauen Werts hilft eine sogenannte Schätzungstabelle.»

Kann eine Immobilie mit Wohnrecht weiterverkauft werden?

«Theoretisch, ja! In der Praxis ist das aber natürlich überhaupt nicht einfach. Wer möchte schon eine Immobilie kaufen, die man auf unbestimmte Zeit weder bewohnen noch vermieten kann? Wo der Verkauf eines Hauses mit Wohnrecht noch am ehesten mal geschieht, das ist innerhalb der Familie, z. B. wenn der Bruder das Haus der Eltern an die Schwester verkauft. »

Was geschieht, falls das Haus mit Wohnrecht bei einer Zwangsversteigerung veräussert werden muss?

«Das kommt ganz auf die Vereinbarung mit dem Grundpfandgläubiger, meistens der Bank, an. Hat die Bank, die die Hypothek finanziert, im Vorfeld dem ausdrücklich zugestimmt, dann überlebt das Wohnrecht die Zwangsversteigerung. Die Wohnberechtigten dürfen dann auch nach der Versteigerung im Haus wohnen bleiben.

Falls die Bank keiner solchen Vereinbarung zugestimmt hat, ist es möglich, dass das Wohnrecht im Rahmen einer Zwangsversteigerung gelöscht wird. Dabei werden die wohnberechtigten Personen nicht ausgezahlt, sondern das Recht erlischt ohne Gegenleistung.»

Wann endet das Wohnrecht und was passiert bei Auszug der wohnberechtigten Person?

«Das Wohnrecht wird meistens lebenslänglich gewährt und erlischt in der Regel erst beim Tod der wohnberechtigten Personen. Das gilt auch, falls die Wohnberechtigten ausziehen: Sie haben jederzeit das Recht, in das Haus oder die Wohnung zurückzukehren, wenn sie möchten.

Wichtig zu erwähnen ist aber noch, dass das Wohnrecht nicht übertragbar ist. Es ist als persönliches Recht an die im Grundbuch namentlich erwähnte Person gebunden. Frau Müller darf während ihrer Weltreise ihrem Nachbarn nicht gestatten, ihre Wohnberechtigung zu beanspruchen, auch wenn dieser noch so nett ist.»

Kann man das Wohnrecht vorzeitig beenden?

«Absolut. Gerade wenn die Eltern ins Altersheim kommen, führt meistens leider kein Weg wieder zurück ins eigene Haus. Es macht in dem Fall nur wenig Sinn, die Wohnberechtigung aufrechtzuerhalten.

Die vorzeitige Beendigung muss im gegenseitigen Einvernehmen oder einseitig von der wohnberechtigten Person ausgehen. Das heisst, die Eltern können auf das Wohnrecht verzichten und eine Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt einreichen. Umgekehrt können sie aber nicht von den Kindern zum Auszug gezwungen werden.»

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